Frauenrechte sind Menschenrechte
Stimmen erheben gegen Gewalt an Mädchen und Frauen
Mehr als 52.300 Mädchen und Frauen wurden Opfer von Sexualstraftaten wie Vergewaltigung, sexuelle Belästigung oder Nötigung. Aller drei Minuten erlebten Mädchen und Frauen häusliche Gewalt. Mehr als 17.000 Mädchen und Frauen wurden Opfer digitaler Gewalt. Der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr liegt hier bei 25 Prozent. Insgesamt 938 Mädchen und Frauen wurden Opfer von Tötungsversuchen. 360 Femizide wurden registriert. Es sind erschreckende Zahlen. Sie spiegeln die geschlechtsspezifische Gewalt von nur einem Jahr wider. Und sie stammen aus Deutschland! Für die Stadt Weißenfels Grund genug anlässlich des Internationalen Gedenktages „Nein zu Gewalt an Mädchen und Frauen“ vor dem Rathaus die Flagge „frei leben!“ zu hissen und damit ein sichtbares Zeichen für ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Dasein von Mädchen und Frauen zu setzen. Im Rahmen der Veranstaltung wurde zum ersten Mal auch die neue Flagge „Für ein gutes Miteinander“ des Weißenfelser Frauenhauses mit fünf Kinderzeichnungen von einer gewaltfreien Zukunft gehisst. Daneben wehte die Flagge „Gewaltfreies Sachsen-Anhalt“ im Wind. Der Aktionstag wurde organisiert von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Weißenfels Katja Henze und der Leiterin des Frauenhauses in Weißenfels Birgit Peterz.
„Die neuste Statistik des Bundeskriminalamtes zeigt für das Jahr 2023 einen Anstieg der weiblichen Opferzahlen in allen Gewaltbereichen. Diese Zahlen sind nicht nur erschreckend. Sie sind inakzeptabel. Das sind keine Einzelschicksale von Frauen, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagte Katja Henze. So finde Gewalt gegen Frauen im Kontext von Geschlechterungleichheit statt, welche tief in den Normen, Einstellungen und Geschlechterrollen verwurzelt sind. Die Zahlen würden zudem deutlich aufzeigen, wie dringend Unterstützungssysteme für die von Gewalt betroffenen Frauen benötigt werden. „Wir brauchen eine vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention. Mit einem Gewalthilfegesetz soll ein Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für alle in Deutschland lebenden Frauen und ihre Kinder garantiert werden – ein kostenfreies Angebot; finanziert durch die Beteiligung des Bundes. Die Bundestagsabgeordneten dürfen dieses wichtige Gesetz nicht zurückstellen“, sagte Katja Henze und forderte die anwesenden Landtagsabgeordneten auf, einen entsprechenden Appell an ihre Parteien zu formulieren. „Wir dürfen keine weitere Zeit verlieren. Denn – und das zeigt das aktuelle Lagebild – jeder Tag, den wir warten, kostet Leben.“
Einen Blick auf die Kinder der von Gewalt betroffenen Frauen warf Frauenhausleiterin Birgit Peterz. Insgesamt 1.182 Mädchen und Jungen wurden mit ihren Müttern bisher im Weißenfelser Frauenhaus aufgenommen. „Sie alle waren entweder selbst Opfer von Gewalt oder haben Gewalt gegen ihre Mütter gesehen oder gehört. Das sind traumatisierte Kinder“, fasste Birgit Peterz zusammen und forderte dazu auf, Kinder besser zu schützen, sie gewaltfrei zu erziehen, sie anzuhören und sie zu lieben. Wie die Kinder selbst sich solch ein gutes Miteinander vorstellen, zeigt nun eine Flagge vor dem Rathaus. Darauf sind fünf Kinderzeichnungen zu sehen. Diese und weitere Bilder hatten Mädchen und Jungen beim diesjährigen „Lauf gegen Gewalt“ am Gemeinschaftsstand der Volkshochschule Burgenlandkreis und der Kita Knirpsenland gezeichnet. Eine Jury des Kita-Kinderrates wählte die besten Arbeiten aus, welche auf der Fahne verewigt wurden und damit ein dauerhaftes Zeichen für Gewaltfreiheit und Zusammenhalt in der Gesellschaft sind. Die Weißenfelser Firma Winterberg media+print sponserte die Flagge. Sie wird ab sofort immer zum Gedenktag „Nein zu Gewalt an Mädchen und Frauen“ gehisst.
Knapp 100 Personen nahmen an dem Aktionstag teil. Viele von ihnen hielten Schilder mit der Aufschrift „Wir brechen das Schweigen“ hoch. Auch die Schülerinnen und Schüler des Askelpios Bildungszentrums präsentierten die Botschaft. Dahinter verbirgt sich eine Aktion des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, auf welche die Stadt Weißenfels in diesem Jahr aufmerksam macht. Es ist ein Aufruf zur bundesweiten Solidarisierung mit Gewaltbetroffenen. Frauen, die Gewalt erleben, sollen wissen, dass sie nicht allein sind und es Unterstützungsangebote wie das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer 116 016 gibt.
Die Veranstaltung fand auf dem Weißenfelser Marktplatz vor der Roten Bank statt, die seit dem Jahr 2021 im öffentlichen Raum die klare Botschaft verkündet: Kein Platz für Gewalt an Mädchen und Frauen. Auch 30 Lichterfrauen, handgefertigt von Mitgliedern des Frauenarbeitskreises Weißenfels, erstrahlten vor dem Rathaus. Die Idee für die Tonfiguren stammt aus Kanada, wo sie ein Pendent zur weltberühmten chinesischen Terrakottaarmee darstellen und somit ein Symbol für Stärke und Wehrhaftigkeit sind.
Die Flagge „frei leben!“ wird nun für zwei Wochen vor dem Rathaus wehen. Das ist der Zeitraum vom Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen bis zum Internationalen Tag der Menschenrechte (25.11.-10.12.). Die UN-Kampagne „Orange the World“ hat im Jahr 1991 diese Zeitspanne gewählt, um auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam zu machen. Mittlerweile beteiligen sich weltweit mehr als 8.500 Städte an der Kampagne. So auch Weißenfels.